Taiwans Busse des öffentlichen Nahverkehrs sind teilweise recht alt. Immer gut gesäubert, aber häufig klappern die Fenster, flimmern die kaputten Werbebildschirme mit ihrem schon seit Jahren immer gleichen Programm in der Dauerschleife und manchmal wackeln auch die Sitze gewaltig, weil sich ein paar Schrauben gelöst haben.
Gestern war es mal wieder soweit: In einem gut gefüllten Bus älteren Baujahres saß ich ganz hinten auf der Rückbank und bei jeder Erhebung auf der Straße riss es auch den Sitz ein paar Zentimeter in die Höhe. So weit nichts Ungewöhnliches, es war ja nicht das erste Mal. Einen älteren Mann mittleren Alters, der auf einer anderen Bank direkt neben mir saß, schien es allerdings zu besorgen. Zunächst tastete seine Hand vorsichtig an die Kante meiner Sitzbank, wo sie allerdings keine Chance gegen die vereinzelt-plötzlichen Vibrationen hatte. Rückzug war angesagt, aber nur um die Lage noch einmal taktisch zu überdenken. Nach einer kurzen Pause setzte sich mein Nachbar nach einem deutlich hörbaren Luftholen auf meine Bank und balancierte seine Sitzposition eine Weile so geschickt, bis die Höhenflüge unserer Unterlage keine Chance mehr hatten.
Ich lächelte freundlich, er lächelte zurück und schien zufrieden mit seiner Heldentat. Im Anschluss fuhren wir eine Weile weiter und stiegen auch an der selben Haltestelle aus. Er nahm all seinen Mut zusammen, ordnete sich genau neben mir beim Warten an der Fußgängerampel ein und sprach mich an. Er würde mich schon seit Monaten im Bus sehen, hatte aber nie die Gelegenheit sich mit mir zu unterhalten, da ich immer Kopfhörer aufhaben würde (die ich just am Tag zuvor im Büro vergessen hatte). Es sprudelte nur so heraus mit Fragen, die er sich innerlich scheinbar schon seit einiger Zeit gestellt hatte. Wo wohne ich, was mache ich hier, wo komme ich her und so weiter und so fort. Es stellte sich heraus, dass wir sowohl beim Wohnort als auch beim Arbeitsplatz nahezu direkte Nachbarn sind (er arbeitet bei BENQ, dessen Hauptquartier gleich neben dem meiner Firma liegt). Nach dem kurzen Gespräch schien er sehr glücklich, sein Wissensdurst war gestillt und auch mir zauberte die freundliche Begegnung am Morgen ein Lächeln auf die Lippen. Schön, dass es noch echtes Interesse an Mitmenschen gibt.
Neueste Kommentare